Um mitzumachen, melde dich bitte an.
  • Sommer-Bergsport und Klimawandel

    Diskussion · 2 Beiträge · 88 Aufrufe

    Hallo zusammen,

     

    das jüngste Unwetter im Wallis (diesmal traf es mein geliebtes Saastal) hat mich mal wieder nachdenklich gestimmt. In den letzten Jahren kommt es in den Alpen durch Starkregen und Hitze immer häufiger zu Murenabgängen und Steinschlagereignissen, welche die Infrastruktur massiv beschädigen. In Anbetracht der Tatsache, dass ganze Siedlungen für Tage oder Wochen von der Außenwelt abgeschnitten werden, mag es manchem jetzt als „Luxusdiskussion“ erscheinen, dass im Zuge dessen auch Wanderwege gesperrt werden müssen. Und teilweise nie mehr in der ursprünglichen Form freigegeben werden, wie bspw. der Europaweg zwischen Gasenried und der Europahütte. 

     

    Da aber diese Wege mit dem daran hängenden Tourismus eine bedeutende Einnahmequelle für die Bergdörfer und -Gemeinden sind, stellt sich für mich die Frage, ab welchem Punkt sich eine Wiederherstellung von Wegeinfrastruktur nicht mehr lohnt. Und was das für die Zukunft des Sommerbergsports (Schneemangel im Winter ist nochmal ein ganz eigenes Thema) bedeutet, vor allem im klassischen Höhenwegkorridor auf 2000-2500 m, unterhalb der mit Permafrost versehenen, bröckelnden Berge. Dann natürlich auch oberhalb davon, auf dem Weg zu den Gipfeln jenseits der Permafrostgrenze. Wie ist es etwa um die Standsicherheit von Seilbahn-Bergstationen und AV-Hütten im kritischen Bereich bestellt, also wo derzeit der Permafrost rapide wegschmilzt? Müssen wir uns damit abfinden, dass der Tourismus jenseits der Baumgrenze eine Art „Verfallsdatum“ hat, wo die Gefahr für Leib und Leben die potenziellen Einnahmen durch den Tourismus übersteigt? Sicher mag das von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sein, aber alle gefährdeten Wege mit massiven Schutznetzen und langen Tunneln/Galerien zu versehen dürfte für die wenigsten finanziell überhaupt zu stemmen sein. 

     

    Ich für meinen Teil stelle mich geistig schon ein bißchen darauf ein, dass in 20 Jahren Touren die ich heute mache, und in den letzten 5 Jahren gemacht habe, schlicht nicht mehr möglich sein werden. Und daher versuche ich das was noch möglich ist noch mehr zu genießen und mir die Zeit dafür zu nehmen. Wie seht ihr das Thema „Bergsport im Lichte des massiven Klimawandels in den Alpen“ für euch und hat dies Einfluss auf eure Saisonplanung? Geht ihr im Angesicht dieser allgemeinen Entwicklung häufiger oder seltener ins Gebirge?

     

    Viele Grüße

    Fred

    09.09.24, 10:39

Beiträge

  • 21.10.24, 16:40

    Eines ist natürlich, durch angemessenes Verhalten nicht auch noch übermässig zum Klimawandel beizutragen (Anreise, Relation zur Länge der Tour bzw. des Aufenthalts etc.).

     

    Das andere aus meiner Sicht: Ich passe meine Tourenwahl den Verhältnissen an:

    • Hochtour: Statt wie früher im Spätsommer (nur noch relativ wenig Schnee, stabiles Wetter...) auf Tour zu gehen, sind wir oft schon im Juni unterwegs, bevor der Permafrost mal wieder neue Felsen "freigibt". Wo Bernina genannt wurde, die Schweizer Anstiege sind da sehr betroffen und oft schon Ende Juli ungenießbar (Spalten, Blankeis). 
    • Von den klassichen Gletscheranstiegen bin ich nach und nach immer mehr auf felsige oder kombinierte Ziele gewechselt.
    • Im Fels bin ich Fan von Grat-Touren geworden: Schöne Aussicht, luftig, Routenverlauf idR selbsterklärend und vor allem: Es kann einem praktisch nichts auf den Kopf fallen ;-)
    • Im Winter wird auch für Nicht-Eingeweihte immer mehr möglich, auch dank präziser Wetter- und vor allem auch Schneeverhältnis-Vorhersage; sowas wie der skiguru wäre  eingangs des Jahrtausends wohl noch unvorstellbar gewesen.
    • Ich mache Schneeschuh-Touren, keine Skitouren; insofern bin ich von den oft miserablen Verhältnissen vieler Abfahrten im Frühwinter praktisch nicht betroffen.
    • Pistenski fand ich schon immer höchst überflüssig, um es positiv zu sagen. Kein Verlust.
    • Trekking (so mit Zelt etc.) mache ich kaum noch, die Schlepperei und das Alter... aber das wird auch dank Sozialer Massenmedien immer weiter aus den klassischen Alpengebieten verschwinden (müssen). 
    • Hüttenwandern war nie groß mein Ding. 
    • Die Bedrohung der Bergdörfer (was Fred das Saastal ist, empfand ich für La Berarde...) ist das große, verbleibende Problem. 
  • 09.09.24, 11:46 - Zuletzt bearbeitet 09.09.24, 11:52.

    Danke für das Thema. Ich mache mir auch solche Gedanken. Wobei: Teile der Infrastruktur (Hütten, gesicherte Wege im ausgesetzten Gelände) sind ja schon jetzt nicht - und ich behaupte: noch nie - aus Gründen der Gewinnmaximierung durch den Tourismus angelegt und instand gehalten worden. In diesen Bereichen agieren ja hauptsächlich die Alpenvereine und deren Arbeit - mit anderen Zielen als dem klassischen Tourismus und Kosten / Nutzen Rechnungen. Ein paar wenige "Massen"Hütten finanzieren bekanntlich die große Masse der Hütten zumindest in Teilen quer, die noch nie Gewinn gemacht haben und es auch nicht müssen. Da geht es ja nur um die Sicherung von Standorten für Bergwanderer / Kletterer. Und hier gehts als erstes an den Kragen: Wassermangel auf den Hütten, Wege nicht mehr zu sichern etc. 

    Also es ist in meinen Augen noch schlimmer: Am meisten unter den verändernden Verhältnissen leiden die, denen es gar nicht um den Massentourismus geht. Genauso, wie die Bergdörfler perspektivisch nicht nur unter dem Wegfall der Einnahmequellen leiden werden - es geht schlichtweg um ihr Überleben in ihrer Heimat. Sie werden zu Klimaflüchtlingen werden.

     

    Als ich in der letzten Woche an so einem kümmerlichen Gletscherrest stand, kam mir wieder die Wut: UNS (du, ich, klassische Bergtouristen, die auf Hüttentouren gehen, Hochtouren unternehmen, Gipfel Ü3000 besteigen...) wird es wie du schreibst in der nahen Zukunft nicht mehr möglich sein, unsere Art von Urlaub zu machen, unsere Leidenschaft auszuleben. Egal, wie wir uns bemühen, unseren persönlicheb CO2-Abdruck zu minimieren (Natürlich kann man auch eine Hüttentour kritisch sehen - Stichwort Heli-Versorgung, Bahnanreise nicht überallhin möglich etc.) - u. A. auch weil der große "Rest" darauf besteht, sich nicht einschränken zu wollen (jährliche Flugreisen, Urlaub im klimatisierten Hotelklotz mit Pool trotz Wassermangel etc.) - müssen WIR uns nicht nur umstellen / einschränken - sondern Tieren, Menschen und der Natur wird die Lebensgrundlage in den Alpen allmählich entzogen.

     

    Wie persönlich damit umgehen: Ich denke, meine Tourenplanung ist jetzt schon weniger risikoreich (auch dem älter werden geschuldet ;-)...), nur noch mit der langjährig eingespielten Bergpartnerin gehen, Fokus mehr auf das Bergerlebnis als auf die Herausforderung, mehr Puffer bei den eigenen Grenzen einplanen etc. Also noch "defensiver" planen als es eh schon Gebot ist, um gefährliche Situationen (denn es wird gefährlicher am Berg!) möglicht zu vermeiden. 

     

    FunFact: Es heißt immer: Man kann ja dank genauerer Wettervorhersagen viel besser angepasst reagieren... In der Realität gerade erlebt: 3 Tage null Empfang auf der Südseite des Bernina in IT. Mehr als am Morgen zum Himmel gucken ist da nicht - ganz old school...

Interesse geweckt? Jetzt kostenlos registrieren!

Du bist nur einen Klick entfernt. Die Registrierung dauert nur 1 Minute.